Der verglichene Körper: Ordnung in der Vielfalt der Menschen (16. – 19. Jahrhundert)
Körperliche Merkmale sind und waren ein wichtiges Element für die Ordnung von Menschen. Wie aber funktionierte das genauer? Welche Rolle kam Vergleichspraktiken dabei zu?
Im Laufe der Frühen Neuzeit spielten religionsbezogene Elemente bei der Ordnung von Menschen eine zentrale Rolle. Spätestens im Laufe des 18. Jahrhunderts wandelten sich nicht nur die Vergleichshinsichten, sondern manchmal auch die Vergleichsgegenstände selbst. Statt ein oder mehrere religionsbezogene Elemente zu wählen, entschieden sich Autoren immer häufiger für ethnische und körperliche Zuschreibungen, um Menschen zu kategorisieren, Alterität oder Ähnlichkeit in den Blick zu nehmen. Wir fragen, welche Position körperlichen Elementen in der Grammatik des Vergleichens (tertia, comparata oder Kontext) zugewiesen wurden.
An drei Fallbeispielen soll die Bedeutung der Vergleichspraktiken für den Wandel des Verhältnisses von Körperlichkeit und Religion in der Zuweisung von Gruppenzugehörigkeiten untersucht werden. Wir nehmen die christlich-europäische Darstellung von folgenden Bevölkerungen innerhalb von Reiseberichten und ethnographischen Texten in den Blick:
In diesen Fallbeispielen überlagern sich körperbezogene bzw. rassifizierende und religionsbezogene Bestimmungen von Ähnlichkeit und Differenz in besonderem Maße.
Ziel des Projekts ist es, mit der Analyse des sich verändernden Verhältnisses von Körper und Religion, also auf der Mesoebene angesiedelte Vergleichsformationen, einen zentralen Beitrag zur Frage nach der Hervorbringung der ‚westlichen Moderne‘ im Sinne der Entwicklung moderner essentialisierender Exklusionsmechanismen (Rassismus, Antisemitismus, Islamophobie) und damit auch zur Genealogie der ‚westlichen Moderne‘ zu leisten. Dabei entwickeln wir postkoloniale Kritik produktiv weiter: Sie liefert uns Instrumente, die inneren Mechanismen der Vergleichspraktiken genauer bestimmen zu können.
Das Projekt baut auf Ergebnissen der ersten Förderphase auf (siehe „Von Nordeuropa nach Südindien. Vergleichspraktiken auf dem Feld des Rechts in frühneuzeitlichen Kontaktzonen“).
Wo Kulturkontakt zum Alltag wird, müssen auch Regeln für diesen Alltag und seine Konflikte ausgehandelt werden. In solchen Situationen ist Vergleichen von zentraler Bedeutung – um Unvertrautes vertraut zu machen und Vielfalt zu ordnen, aber auch um Grenzen zu ziehen und zu hinterfragen.
Anhand von Recht und Rechtsprechung in frühneuzeitlichen Kontaktzonen untersuchen wir, wie europäische Akteure mit den Herausforderungen des alltäglichen Kulturkontakts umgingen. Eine Fallstudie behandelt die französische Niederlassung im südindischen Pondichéry, eine zweite wendet sich der schwedischen Expansion nach Lappland und in den Atlantik zu. Wie wurden unterschiedliche Rechtsvorstellungen und Normen, Institutionen und Praktiken der Konfliktregelung vergleichbar gemacht?
Kontaktzonen weisen oft eine ausgeprägte soziale Dynamik auf, wie die Formation neuer Bevölkerungsgruppen zeigt: Indigene konvertierten zum christlichen Glauben, aus ‚gemischten‘ Beziehungen gingen ‚gemischte‘ Familien hervor. Welches Recht galt für solche Gruppen? Wie nutzten sie die Spielräume, die das Nebeneinander verschiedener Rechtsordnungen bot? Vergleichspraktiken können hier ebenso Ordnung stabilisieren wie Veränderungen anstoßen.
Das Projekt nimmt den Übergang zwischen Früher Neuzeit und Moderne in den Blick. So können wir langfristige Wandlungsprozesse untersuchen und nach Spezifika ‚moderner‘ Vergleichspraktiken fragen.